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Steuern & Recht
8. Juni 2017
Widerspruchsfristen bleiben unabhängig bestehen

Widerspruchsfristen bleiben unabhängig bestehen

Wenn bei Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung im Policenmodell sowohl die Voraussetzungen für einen Widerspruch nach § 5 VVG a. F. als auch nach § 5a VVG a. F. vorliegen, bestehen die jeweiligen Widerspruchsfristen unabhängig voneinander und können eventuell auch gleichzeitig ablaufen. Im Rahmen eines Zurückweisungsbeschlusses entschied das der Bundesgerichtshof (BGH).

Ist ein Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über seine Widerspruchsfrist belehrt, so ist auch im Fall einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages in Form von Prämienzahlung über sieben Jahre auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Mit seiner Klage begehrte der Versicherungsnehmer von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung abzüglich eines bereits gezahlten Rückkaufswerts. Der Vertrag war mit Versicherungsbeginn zum 01.02.2007 nach dem sogenannten Policenmodell in der damals gültigen Fassung des § 5a VVG a. F. vereinbart worden. Der Kläger erhielt daraufhin mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. Der Kläger kündigte den Versicherungsvertag am 01.03.2012. Daraufhin zahlte der Versicherer ihm den Rückkaufswert aus. Im August 2014 erklärte der Kläger schließlich den Widerspruch gemäß § 5a VVG a. F. mit der Begründung, der Vertrag sei aufgrund nicht ordnungsgemäß erfolgter Widerspruchsbelehrung nicht wirksam zustande gekommen. Eine Widerspruchserklärung nach § 5 VVG a. F. nahm er nicht vor. Das Amtsgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen, das Landgericht Stuttgart wies die hiergegen gerichtete Berufung zurück.

Die Ansicht des BGH

Nach Ansicht des BGH lagen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bereits nicht vor. Die Normen §§ 5 und 5a VVG würden über unterschiedliche Anwendungsbereiche verfügen, wodurch es zu keinem Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Normen kommt. Gegebenenfalls könnten die Widerspruchsfristen auch gleichzeitig ablaufen. Damit widerspricht der BGH der Auffassung des Klägers, dass die Widerspruchsfrist von 30 Tagen aufgrund der Anwendung von § 5 VVG a. F. nicht bereits mit Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation beginne, sondern erst einen Monat nach Vertragsschluss. Gleichermaßen bestehen im Rahmen der Richtlinienkonformität parallel laufender Widerspruchsfristen keinerlei Bedenken in der Rechtsprechung oder im Schrifttum, weshalb auch insofern keine klärungsbedürftige Frage im Sinn des § 543 Abs. 2 ZPO vorliege. Durch § 5 VVG a. F. werde dem Versicherungsnehmer lediglich eine zusätzliche Möglichkeit zum Widerspruch gegeben. Dem Versicherungsnehmer bliebe auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung ein Widerspruch verwehrt. Durch die jahrelange Durchführung des Vertrages sei ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in den Bestand des Vertrages erzeugt worden. Die Berufung auf die angebliche Unwirksamkeit und die damit einhergehende Herleitung von Bereicherungsansprüchen seien objektiv widersprüchlich. (kk)

BGH, Beschluss vom 27.04.2017 – IV ZR 98/16